Keine Verjährung im VW Abgasskandal: Autobesitzer können auch 2021 noch klagen!

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Bekanntermaßen bestätigte der BGH mit Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, dass Käufern von Dieselfahrzeugen mit EA189-Motoren Schadensersatzansprüche gegen VW wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zustehen. Damit ist die Rechtslage grundsätzlich geklärt. Viele Betroffene, die sich dem Musterfeststellungsklageverfahren angeschlossen und anschließend nichts weiter unternommen hatten, ärgern sich und glauben, dass es jetzt zu spät sei. Dies ist jedoch ein – leider weit verbreiteter – Irrglaube! Nach unserer Rechtsauffassung, die sich zwingend aus dem Gesetz ergibt, können Geschädigte wegen einer oft verkannten Verjährungsvorschrift vielmehr auch im Jahr 2021 noch erfolgsversprechend klagen, wenn sie sich zuvor an der Musterfeststellungsklage beteiligt hatten.

Wir vertreten seit jeher die Auffassung, dass aufgrund verschiedener Überlegungen in vielen Fällen eine Verjährung in den sogenannten „EA189-Fällen“ nicht eingetreten ist. Unsere Ansicht, wonach jedenfalls im Jahr 2015 noch kein Beginn der Verjährungsfrist anzunehmen war, weil eben stets auf die konkrete Einzelfallinformation bezüglich der Betroffenheit seitens VW abzustellen ist, wurde erst kürzlich unter anderem in einer durch unsere Kanzlei erstrittenen Entscheidungsserie des LG Nürnberg-Fürth, 9 O 5734/20, 9 O 5061/20 und 9 0 4008/20, sowie vor dem LG Bamberg, 42 O 157/20, bestätigt.

Ein anderer und leider sehr weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Teilnehmer der Musterfeststellungsklage gegen VW seit dem 30.10.2020 keine erfolgreiche Klage mehr erheben könnten. Zwar ist es richtig, dass zum 30.10.2020 aufgrund der Vorschriften des § 204 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Satz 1 BGB die Hemmungswirkung des Musterfeststellungsklageverfahrens endete. Indes ist dies aber keinesfalls mit einem Verjährungseintritt gleichzusetzen. Hierbei würde nämlich die Wirkung der Vorschrift des § 209 BGB nicht beachtet. Danach ist die Zeit zwischen der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage bis zum Ende deren Hemmungswirkung taggenau zum Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist hinzuzurechnen.

In allen Fällen, in denen sich Betroffene vor Ablauf des Jahres 2018 an der Musterfeststellungsklage beteiligt hatten, und in vielen Fällen, in denen dies 2019 geschah (aktuell mindestens bei Anmeldung bis 30.06.2019), ist daher eine Verjährung der Ansprüche noch nicht eingetreten. Vielmehr verschiebt sich der Eintritt der Verjährung um den Zeitraum der Beteiligung an der Musterfeststellungsklage. Das heißt die Verjährung tritt regelmäßig erst und frühestens ab Anfang Mai 2021 bis circa November 2021 ein.

Wichtig ist: All dies hat auch nichts mit der aktuellen Entscheidung des BGH vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, zu tun. Wie der vorangegangen Entscheidung des OLG Stuttgart zu entnehmen ist, erhob VW bereits in ihrer Klageerwiderung die Verjährungseinrede und machte umfangreiche Ausführungen zur positiven Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen. In seiner Replik nahm der Kläger zur Frage der Verjährung keine Stellung. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens bestritt er die Behauptungen der VW AG nicht. Einzig und allein diesen unstreitigen Sachverhalt hatte der BGH in seinem Urteil vom 17.12.2020, VI ZR 739/20, rechtlich zu bewerten. Hierbei handelt es sich jedoch um einen absoluten Sonderfall, der so gut wie nie vorkommt.

Es zeigt sich also, dass auch Betroffene des VW-Skandals, die sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt hatten, aber bislang noch keine weiteren gerichtlichen Maßnahmen ergriffen haben, nicht zögern sollten, ihre Ansprüche weiter durchzusetzen. Gerade wenn Autobesitzer über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügen, die bereits vor dem Kauf abgeschlossen worden ist, besteht vielfach ohnehin kein Kostenrisiko, wobei Rechtsschutzversicherer unsere Rechtsauffassung zu der Verjährungsfrage schon mehrfach geteilt und entsprechende Deckungszusagen für das gerichtliche Verfahren gewährt haben.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit einer kostenlosen und für Sie unverbindlichen Erstberatung an. Sollten Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie gerne auch die Kostenübernahme.

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