BGH bestätigt Entscheidung des OLG Nürnberg zur Haftung der Bank, falls sie vor der sittenwidrigen Überteuerung einer Schrottimmobilie „die Augen verschlossen“ hat

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In der Entscheidung des Bankrechtssenats vom 29.04.2008 bestätigte der BGH das in einem von Rechtsanwalt Göpfert geführten Verfahren vor dem OLG Nürnberg erstrittene Urteil vom 30.03.2007, 12 U 2164/05. Das OLG folgte unserer Auffassung, dass die bloße Erkennbarkeit der sittenwidrigen Überteuerung für eine Haftung der Bank ausreicht, falls sie hiervor „ihre Augen verschlossen“ hat. Diese in der Entscheidung des BGH vom 15.06.2010 fortgeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, führt für die Anleger zu erheblichen prozessualen Erleichterungen in Haftungsverfahren gegen finanzierende Banken im Bereich der Schrottimmobilien.

 

Wie aus dem Begriff der „Schrottimmobilien“ bereits hervorgeht, ist Hauptvorwurf gegenüber den finanzierenden Banken wissentlich wesentlich – sittenwidrig – überteuerte Immobilien finanziert zu haben. Eine Haftung der Bank kann daher insbesondere aus einer so genannten Aufklärungspflichtverletzung wegen eines Wissensvorsprungs resultieren. Hier wird nach ständiger Rechtsprechung des BGH vorausgesetzt, dass die jeweils beklagte Bank positiv wusste, dass die Immobilie sittenwidrig überteuert war. Dies müssen die Anleger nachweisen.

 

Im Prozess gelingt dieser Beweis nur äußerst schwer. Soweit sich die als Zeugen einvernommenen Bankmitarbeiter an die typischerweise mehrere Jahre zurückliegenden Vorgänge überhaupt noch erinnern können – bzw. nach unserem Eindruck in einigen Gerichtsverfahren auch erinnern wollen – werden sie natürlich in aller Regel nicht bestätigen, wissentlich ein sittenwidriges Erwerbsgeschäft finanziert zu haben.

 

Von hoher Praxisrelevanz ist daher die Entscheidung des Bankrechtssenats vom 29.04.2008, XI ZR 221/07 (veröffentlicht in BGH, WM 2008, 1121). Dort ließ der BGH die durchaus als „mutig“ zu bezeichnende Entscheidung des OLG Nürnberg in seinem Urteil vom 30.03.2007, 12 U 2164/05 (unverständlicherweise unveröffentlicht) in revisionsrechtlicher Hinsicht unbeanstandet, dass die bloße Erkennbarkeit ausnahmsweise der positiven Kenntnis dann gleichsteht, wenn sich die sittenwidrige Überteuerung einem zuständigen Bankmitarbeiter nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; dieser sei sodann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen davor zu verschließen.

 

Als maßgebliche für ein „Augenverschließen“ sprechende Indizien wertete des OLG Nürnberg insbesondere die Kenntnis der wertbildenden Faktoren der Immobilie seitens der finanzierenden Bank, die aufgrund des ihr vorliegenden Objektprospekts Alter, schlechte Lage und Ausstattung der Wohnung kannte und die als überregional tätige Bank mit den Markt- und Preisverhältnissen auf dem Immobilienmarkt in der dortigen Stadt vertraut war. Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die dort beklagte Bank von der Sittenwidrigkeit des Erwerbsgeschäfts schlicht und einfach „nichts wissen wollte“.

 

Die Gleichstellung der positiven Kenntnis mit einem „bewussten Augenverschließen“ hat in den Prozessen zwischenzeitlich erhebliche Erleichterung für den Anleger beim Nachweis der Kenntnis der finanzierenden Bank hinsichtlich der Sittenwidrigkeit des Erwerbsgeschäfts gebracht.

 

Bei Fragen wenden Sie sich vertrauensvoll an uns.

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