Drei Oberlandesgerichte läuten Dieselgate 3.0 ein – VW haftet aufgrund manipulierter Software-Updates

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Der VW-Abgasskandal ist um ein drittes und aktuell sehr wichtiges Kapitel reicher. In einer sensationellen Entscheidungsserie bestätigten das OLG Köln mit Urteil vom 18.12.2020, 20 U 288/19, das OLG Bremen mit Urteil vom 15.01.2021, 2 U 9/20, und das OLG Hamm mit Urteil vom 19.01.2021, 19 U 1304/19 einen gänzlich „neuen“ Haftungstatbestand. Nachdem die Oberlandesgerichte feststellten, dass die Software-Updates erneut mit einer unzulässigen Manipulationssoftware versehen sind, hat VW die Kunden nochmals getäuscht. Daher sollten insbesondere Betroffene, die – leider zu Unrecht – darauf vertraut haben, dass mit dem Aufspielen des Updates alles in Ordnung ist, Schadensersatzansprüche gegen VW geltend machen.

Bekanntermaßen bestätigte der BGH mit Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, dass Käufern von Dieselfahrzeugen mit den „berüchtigten“, offensichtlich manipulierten EA189-Motoren Schadensersatzansprüche gegen VW wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zustehen. Nachdem die Haftung von VW im Zuge des ersten Teils der juristischen Aufarbeitung des Dieselskandals damit höchstrichterlich geklärt worden ist, wurde es für die Volkswagen AG auch in der Dieselgate 2.0-Affäre rund um den Nachfolge-Motor mit der Bezeichnung EA288 vor den Gerichten in letzter Zeit zunehmend ungemütlich.

Das dritte und zugleich derzeit wichtigste Kapitel im VW Abgasskandal haben aktuell gleich drei Oberlandesgerichte aufgeschlagen. Es geht um das sogenannte Software-Update. VW entschied sich wohl aus Kostengründen gegen eine Hardware-Lösung, sondern bot zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtungen lediglich eine Software-„Lösung“ an. Bei hunderttausenden Autos der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA189 wurden die Updates aufgespielt, um eine Zwangsstillegung der Fahrzeuge zu vermeiden. Der Volkswagen-Konzern proklamiert bekanntlich bis heute, dass hierdurch gesetzeskonforme Zustände hergestellt worden seien.

Genau dies ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Nach den aktuellen Feststellungen gleich dreier Oberlandesgerichte sind die Software-Updates erneut mit einer unzulässigen Manipulationssoftware versehen. Die drei Entscheidungen der Oberlandesgerichte begründen nach unserer Auffassung einen völlig „neuen“ Haftungstatbestand, welcher mit dem „alten“ Ursprungsverhalten von VW bei der Manipulation der EA189-Dieselmoren bei der Herstellung nichts zu tun hat.

So hatte die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte bereits seit Längerem in zahlreichen Gerichtsverfahren herausgestellt, dass sich VW allein aufgrund der ihrer Meinung nach in den Software-Updates wiederum enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtungen erneut schadensersatzpflichtig gemacht hat. Genau diese Rechtsauffassung wird nunmehr durch die Entscheidungen des OLG Köln, Urteil vom 18.12.2020, 20 U 288/19, des OLG Bremen, Urteil vom 15.01.2021, 2 U 9/20, und des OLG Hamm, Urteil vom 19.01.2021, 19 U 1304/19, bestätigt.

Neue Möglichkeiten eröffnen sich nicht nur Käufer, die bei Erwerben nach dem 22. September 2015 von der Abgasmanipulation und demgemäß von der Notwendigkeit eines Software-Updates keine Kenntnis hatten. Der BGH hatte in seinem Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, einen Schadensersatzanspruch, wegen der umfangreichen Aufklärungsmaßnahmen von VW seit der Herausgabe der sog. Ad-hoc-Mitteilung am 22.09.2015 verneint. Genau diese, durch den BGH vorgenommene Wertung des dortigen Sachverhalts passt natürlich dann nicht mehr, wenn VW das Software-Update erneut bewusst mit Manipulationsvorrichtungen versehen hat. Der Täuschungsvorsatz kann nicht entfallen, wenn man die ursprüngliche Täuschung durch eine neue Täuschung ersetzt.

Die Tragweite der Entscheidungen geht jedoch weit über die durch die Oberlandesgerichte entschiedenen sogenannten „Ad-hoc-Fälle“ hinaus. Der obergerichtlich anerkannte neue Haftungstatbestand aufgrund von Manipulationen im Zuge des Software-Updates erhöht die Chancen auf Schadloshaltung in vielen Konstellationen ganz deutlich, was bislang weitestgehend unerkannt geblieben ist.

Insbesondere sollten Fahrzeugerwerber, die beim Kauf bereits von dem eingespielten Software-Update Kenntnis hatten und geglaubt haben, dass damit alle gesetzlichen Erfordernisse erfüllt seien, ihre Ansprüche mit aller Konsequenz verfolgen. Dem Urteil des OLG Köln vom 18.12.2020, 20 U 288/19, lag eben diese Sachverhaltskonstellation zu Grunde und VW wurde im Ergebnis zutreffend zu Schadensersatz verurteilt.

Auch die Verjährungsproblematik lässt sich in anderen Sachverhalten zugunsten der Geschädigten lösen. Denn es dürfte feststehen, dass es VW gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf eine zu späte Tätigkeit der Betroffenen zu berufen, welche sie durch ein erneut rechtswidriges Verhalten gerade selbst verursacht hat.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit einer kostenlosen und für Sie unverbindlichen Erstberatung an. Sollten Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie gerne auch die Kostenübernahme.

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