OLG Dresden verurteilt Paratus AMC GmbH

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In einer bislang wenig beachteten, jedoch bahnbrechenden Entscheidung vom 28.06.2012, 9 U 1758/11, stellte das OLG Dresden fest, dass sich die ehemalige GMAC-RFC Bank GmbH, die jetzt unter Paratus AMC GmbH firmiert, wegen einer Aufklärungspflichtverletzung schadensersatzpflichtig gemacht hat. Diese Entscheidung kann in ihrer Bedeutung für den  Bereich der Schrottimmobilien gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Banken haften nicht nur, wenn sie von der sittenwidrigen Überteuerung der Immobilie Kenntnis hatten, sondern auch im Falle eines „bewussten Augenverschließens“.

 

Hintergrund des Gerichtsverfahrens, an dem Rechtsanwalt Dr. Hoffmann in erster Instanz vor dem LG Zwickau beteiligt war, ist ein klassischer Neufall so genannter Schrottimmobilien. Der Kläger und seine Ehefrau erwarben im Jahr 2005 eine Eigentumswohnung in Plauen zu einem Kaufpreis in Höhe von 190.000,00 €, die über die damalige GMAC-RFC Bank GmbH mit einem Darlehen in gleicher Höhe finanziert wurde. Nachdem die Anleger die Zahlungen auf das Darlehen eingestellt hatten, betrieb die Rechtsnachfolgerin der Bank, namentlich die „GMAC-RFC Servicing GmbH“ die Zwangsvollstreckung.

 

Wohlgemerkt unternahm sie hierbei nicht einmal den Versuch, ihr Beleihungsobjekt, also die Kapitalanlageimmobilie versteigern zu lassen, sondern leitete gleich persönliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Anleger an. Bereits dies war aus unserer Sicht ein Indiz dafür, dass sich die GMAC der aktuellen und auch damaligen Minderwertigkeit der Eigentumswohnung bewusst war, nachdem die Gegenseite wohl damit rechnete, dass der Versteigerungserlös zur Rückführung des Darlehens bei weitem nicht ausreichen würde.

 

Die zahlreichen Geschäfte der ehemaligen GMAC-RFC Bank GmbH, die nach Rückgabe ihrer Banklizenz zunächst unter „GMAC-RFC Servicing GmbH“ und aktuell unter „Paratus AMC GmbH“ firmiert, waren bereits Gegenstand einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung wurde hierin um eine Bewertung von Presseberichten ersucht, wonach „die Finanzierungen scheinbar systematisch über eine Vertriebsstruktur auch dazu genutzt wurden, Immobilien minderer Qualität in den neuen Bundesländern als Altersvorsorge an Bürgerinnen und Bürger zu verkaufen“. So heißt es in der Bundestag-Drucksache 16/11713 vom 22.01.2009.

 

Auch in dem durch das OLG Dresden entschiedenen Fall trugen die Anleger vor, dass die finanzierte Eigentumswohnung in Plauen zum Zeitpunkt des Erwerbs sittenwidrig überteuert war. Ein bereits in erster Instanz vor dem Landgericht Zwickau eingeholtes Sachverständigengutachten bestätigte dann auch, dass der tatsächliche Verkehrswert der Immobilie lediglich 106.000,00 € betragen hat. Im Vergleich zu dem abverlangten Kaufpreis in Höhe von 190.000,00 € ergab sich also eine Überteuerung von 79,3 %.

 

Eine Schadensersatzhaftung der finanzierenden Bank aufgrund einer Aufklärungspflichtverletzung wegen eines konkreten Wissensvorsprungs in der Unterfallgruppe der so genannten „sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung“ hat anerkanntermaßen grundsätzlich zwei Voraussetzungen: in objektiver Hinsicht die Sittenwidrigkeit des Erwerbsgeschäfts und als subjektives Element eine Kenntnis der finanzierenden Bank von der entsprechenden Minderwertigkeit.

 

Sehr beachtenswert ist bereits, dass das OLG Dresden in seiner Entscheidung die Überteuerung von „nur“ 79,3 % für die Sittenwidrigkeit ausreichen ließ. Nicht selten findet sich sie Auffassung, dass eine „knapp doppelt so hohe“ Überteuerung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH erst dann vorliegt, wenn eine Grenze von 85- 90% überschritten ist. Hierbei wird jedoch verkannt, dass auch nach dem BGH geringere Abweichungen für eine Sittenwidrigkeit genügen, wenn, wie im entschiedenen Fall, weitere, besondere Umstände hinzutreten.

 

Der eigentliche und sehr bedeutsame Kern der Entscheidung betrifft jedoch die zweite Haftungsvoraussetzung der Kenntnis. Im Prozess ist der Nachweis, dass die finanzierende Bank von der Minderwertigkeit der Immobilie wusste, nur schwer zu führen. Von enormer Praxisrelevanz war daher die mittlerweile mehrmals bestätigte Grundsatzentscheidung des BGH vom 29.04.2008, XI ZR 221/07. Bereits dort bestätigte der Bankrechtssenat die Auffassung des OLG Nürnberg in einem von Rechtsanwalt Göpfert geführten Verfahren, dass ein „bewusstes Augenverschließen“ der positiven Kenntnis unter bestimmten Voraussetzungen gleich stehen kann. Der zuständige Bankmitarbeiter ist nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor gewissen, sich aufdrängenden Taschen zu verschließen. Finanzierende Banken dürfen also nicht einfach „weg schauen“.

 

Das OLG Dresden setzte mit seiner noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 28.06.2012 diese Vorgaben des BGH konsequent um. Die aus Anlegersicht äußerst erfreuliche Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Relevanz für eine Vielzahl von Schrottimmobilienfällen. Im Rahmen der typischen Vollfinanzierungen nahmen neben der damaligen GMAC-RFC Bank GmbH auch viele andere Banken im Vorfeld regelmäßig eine Besichtigung und Bewertung der Immobilie vor. Wenn ein Gerichtsgutachten die sittenwidrige Überteuerung bestätigt und weitere Umstände hinzutreten, kann bei konsequenter Umsetzung der BGH-Rechtsprechung eine Schadensersatzhaftung der Banken in zahlreichen Fällen ebenso wie durch das OLG Dresden nicht mehr von der Hand gewiesen werden.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich vertrauensvoll an uns.

 

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