Termin anlässlich der VW Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig am 30.09.2019: „It´s time to say goodbye“

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Rund 470.000 Fahrzeugbesitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 haben sich der Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig angeschlossen. Die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner hatte schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Braunschweiger Justiz im Vergleich mit einer Vielzahl von positiven Entscheidungen im gesamten Bundesgebiet für Geschädigte bislang äußert negativ urteilte. Beispielsweise wurde die Klage eines bekannten Dienstleisters, der im Wege einer „Sammelklage“ nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Autobesitzer vertritt, bereits am 19.02.2019 durch das OLG Braunschweig, Az.: 7 U 134/17, abgewiesen. Auch wenn über die VW-Musterfeststellungsklage ein anderer Senat des OLG Braunschweig entscheiden wird, waren die Erfolgsaussichten nach unserer Auffassung seit jeher als äußerst gering einzuschätzen.

Nun fand am Morgen des 30.09.2019 der erste Verhandlungstermin vor dem 4. Zivilsenat des OLG Braunschweig statt. Nach Medienberichten war die erste rechtliche Einschätzung des Gerichts für die Geschädigten – erwartungsgemäß – leider alles andere als erfreulich. So tendiere das Gericht dazu, zunächst keine vertraglichen Ansprüche zu sehen, weil VW ja gar kein Vertragspartner der Kunden war. Zwar kämen auch deliktische Ansprüche in Betracht. Zahlreiche Oberlandesgerichte hätten VW ja bereits auf Schadensersatz verurteilt. Dennoch habe man Zweifel, ob man der Argumentation dieser Gerichte folgen könne.

Gegen mögliche Ansprüche von VW-Dieselkunden könnte etwa sprechen, dass ein Schaden durch manipulierte Abgaswerte nach Auffassung des Richters Neef nicht „zutreffend vermittelt“ worden sei, nachdem die Fahrzeuge in der großen Zahl der Fälle weiter genutzt würden. Ob also die Abgas-Software oder erst die anschließenden Diesel-Fahrverbote einen Schaden hervorgerufen hätten, sei noch nicht geklärt. Dass ein Schaden entstanden ist, scheint dem OLG Braunschweig jedenfalls nicht so offenkundig. Zudem gelte es zu klären, ob das VW-Management rund um den damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn von Anfang an Kenntnis von den Abschalteinrichtungen gehabt habe oder ob die Manipulationen von Mitarbeitern unterhalb der Führungsriege zu verantworten sei.

Für VW-Kunden war der heutige Verhandlungstermin daher jedenfalls ein Dämpfer.

Zahlreiche Geschädigte, die sich der Klage angeschlossen haben, wissen wahrscheinlich gar nicht, dass der heutige Tag vor allem ein sehr wichtiger Stichtag ist. Denn mit Ablauf des 30.09.2019 ist eine Austragung aus dem Klageregister nicht mehr möglich. Zudem greift die sogenannte Bindungswirkung ein. Wenn die Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig rechtskräftig abgewiesen wird, sind alle Betroffenen, die sich der Klage durch Eintragung im Register angeschlossen haben, an negative Feststellungen des OLG gebunden. Schadensersatzansprüche können sodann auch nicht mehr vor einem anderen, ggf. „verbraucherfreundlicheren“ Gericht geltend gemacht werden. In der viel beworbenen Musterfeststellungklage steckt daher ein oftmals verkanntes, indessen ganz erhebliches Gefahrenpotential.

Dieser Gefahr können Verbraucher nur noch wenige Stunden begegnen, indem sie die Rücknahme ihrer Anmeldung zum Musterfeststellungsklageverfahren mit Hilfe des vom Bundesamt für Justiz im Internet bereit gestellten Formulars erklären. Sollte eine Abmeldung via Internet wegen Überlastung nicht möglich sein, kann diese auch schlicht per Telefax erfolgen. Ab dem Tag der Rücknahme sollten Autokäufer binnen sechs Monaten eine Einzelklage erheben, um eine potentielle Verjährung sicher auszuschließen.

Nach unserer Auffassung sollte jeder, der seine Chance auf eine schnelle und tatsächlich angemessene Entschädigung nicht vertun will, genau diesen Weg gehen. Dies gilt umso mehr, wenn man über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügt, die bereits vor dem Kauf des Kfz bestanden hat. Allerspätestens nach dem Verhandlungstermin vor dem OLG Braunschweig ist es an der Zeit, der Musterfeststellungsklage schleunigst „auf Wiedersehen“ zu sagen und sein Heil in einem Individualklageverfahren zu suchen.

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