VW-Musterfeststellungsklage im Abgasskandal: Beunruhigende Signale aus Braunschweig!

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Die am 01.11.2018 gegen die Volkswagen AG bei dem OLG Braunschweig eingereichte Musterfeststellungsklage wurde als großer Fortschritt für den Verbraucherschutz im Dieselskandal gefeiert. In einem anderen „Musterklageverfahren“ machte das OLG Braunschweig den VW-Kunden jedoch leider wenig Hoffnung. Es muss daher damit gerechnet werden, dass auch die VW-Musterfeststellungsklage scheitern wird. An eine negative, rechtskräftige Entscheidung sind jedoch alle Verbraucher gebunden, die sich in das Klageregister eingetragen haben.

Zahlreiche Geschädigte des Dieselskandals haben sich als vollkommen risikolos beworbenen, sogenannten „Sammelklagen“ angeschlossen. Die Klage eines bekannten Dienstleisters, der nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Autobesitzer vertritt, hatte das LG Braunschweig bereits mit Urteil vom 31.08.2017, Az.: 3 O 21/17, in erster Instanz als unbegründet abgewiesen. Auch in dem Berufungsverfahren mit dem Az.: 7 U 134/17 wird das OLG Braunschweig voraussichtlich der Volkswagen AG Recht geben. Laut Medienberichten hat das Oberlandesgericht im Verhandlungstermin bestätigt, dass dem Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG zustünden.

Auch für die über 400.000 Verbraucher, die sich der VW-Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, sind dies leider schlechte Nachrichten. Denn auch das durch den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) angestrengte Musterfeststellungsklageverfahren wird ebenfalls ausgerechnet vor dem OLG Braunschweig geführt. Während bundesweit immer mehr Gerichte betroffenen Autobesitzern Schadensersatz zusprechen, sticht die Braunschweiger Justiz bereits seit Langem als Negativbeispiel deutlich heraus. So beinhaltet die durch den ADAC zusammengestellte Rechtsprechungsübersicht zur Abgasthematik (EA 189) insgesamt 213 Gerichtsverfahren gegen den Hersteller. Hiervon ergingen gegen VW 169 Urteile. 44 mal wurden die Klagen der Geschädigten demgegenüber durch Gerichte abgewiesen. Von diesen 44 Entscheidungen erließ das LG Braunschweig sage und schreibe 36 Urteile zugunsten der Volkswagen AG.

Wir hatten daher bereits mehrfach auf den für Verbraucher äußerst problematischen Gerichtsstand hingewiesen. Nachdem sich die Landgerichte gerade bei Fällen von derart großem öffentlichen Interesse typischerweise beim Oberlandesgericht absichern, konnte man bereits nach einer Analyse der Rechtsprechung des LG Braunschweig prognostizieren, dass auch das Oberlandesgericht Braunschweig aller Voraussicht nach die Auffassung vertreten wird, dass die Volkswagen AG für ihre „Tricksereien“ nicht haften soll. Eben diese Prognose scheint sich nunmehr nach den berichteten Äußerungen des Oberlandesgerichts Braunschweig in dem „Sammelklageverfahren“ leider zu bestätigen.

Was viele Verbraucher im Zusammenhang mit der hoch gelobten Musterfeststellungsklage nicht wissen: In ihr steckt auch ein ganz erhebliches Gefahrenpotential in Form der sogenannten Bindungswirkung. Wenn die Musterfeststellungsklage vor dem OLG Braunschweig rechtskräftig abgewiesen wird, sind alle Betroffenen, die sich der Klage durch Eintragung im Register angeschlossen haben, an die negativen Feststellungen gebunden. Schadensersatzansprüche können sodann auch nicht mehr vor einem anderen, ggf. „verbraucherfreundlicheren“ Gericht geltend gemacht werden.

Dieser Gefahr können Verbraucher nur durch eine Rücknahme ihrer Anmeldung effektiv begegnen. Die Anmeldung kann allerdings nur bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden. Wenn das OLG Braunschweig einen Verhandlungstermin bestimmt hat, muss der Verbraucher allerspätestens an diesem Tag seinen Antrag zurücknehmen, um eine Bindungswirkung zu seinen Lasten zu vermeiden. Falls das OLG Braunschweig auch in dem VW-Musterfeststellungsklageverfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung weiterhin Schadensersatzansprüche ablehnen will, stehen Betroffene daher unter großem Zeitdruck – von praktischen Schwierigkeiten für das Bundesamt der Justiz wegen des zu erwartenden hohen Kommunikationsaufkommens einmal ganz abgesehen.

Wir raten Betroffenen daher nicht einfach auf den Tag X zu warten, sondern sich bald und sehr genau zu überlegen, ob sie das ganz erhebliche Risiko der VW-Musterfeststellungsklage in Kauf nehmen wollen. Verjährungsrechtliche Probleme stellen sich bei einer Antragsrücknahme regelmäßig nicht. Nach den gesetzlichen Vorschriften haben Verbraucher danach ein halbes Jahr Zeit, ihre Schadensersatzansprüche im Wege der Einzelklage gerichtlich geltend zu machen.

Nach unserer Rechtsmeinung unterlagen Schadensersatzansprüche für Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 entgegen der allgemeinen Berichterstattung ohnehin nicht einer Verjährung zum 31.12.2018. Daher sollten Geschädigte, die sich nicht der VW-Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, auch 2019 ihre Ansprüche mit aller Konsequenz verfolgen.

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit einer kostenlosen und für Sie unverbindlichen Ersteinschätzung an.

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